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bees Wohnzimmer

Donnerstag, Oktober 01, 2009

Seltsame Rechtsprechung

Neulich hatte ich ja schon mal von der Rechtsprechung berichtet, die beschlossen hat, wann ein Tier als neu hergestellt gilt.

Heute habe ich über ein Urteil gelesen, das hat mich doch stark irritiert. Ich habe mich gefragt, ob tatsächlich alle Richter ältere Männer sind. Dieses Urteil lässt es jedenfalls annehmen. Wahrscheinlich sindse auch noch katholisch.

Hintergrund ist, daß Ärzte umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen, wenn sie eine Heilbehandlung durchführen. Heilbehandlung ist eine ärztliche oder arztähnliche Leistung, d.h. ein medizinischer Eingriff, die zu keinem anderen Zweck als der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen wird.

Daraus leitet man ab, daß keine Umsatzsteuerfreiheit vorliegt, wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist. Demzufolge wird also die Leistung um 19% teurer - für den Patienten bzw. die Krankenkasse, wenn diese die Leistungen zahlt. Falls der Arzt einen Festpreis vereinbart hat (oder es eben von der Krankenkasse nur einen bestimmten Betrag gibt), muß der Arzt die Mehrwertsteuer aus diesem Betrag rausrechnen und abführen.

Jedenfalls kam dann der Tenor des Urteils, der folgendes besagt:

Beim Einsetzen von Spiralen zur Empfängnisverhütung handelt es sich zwar um medizinische Eingriffe, jedoch wurden diese nicht ausschließlich zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen.


Das bedeutet, daß das Einsetzen der Spirale durch den Arzt eine umsatzsteuerpflichtige Leistung ist. (Selbstbausatz geht aber noch nicht.)

Eine medizinische Indikation wurde nicht vorgelegt. Das FG [Finanzgericht] geht daher davon aus, daß in diesen Fällen der Einsatz der Spiralen allein der Vorbeugung vor ungewollten Schwangerschaften diene.

Eine Schwangerschaft - auch eine ungewollte - ist keine Krankheit.


Gut, soweit sind wir uns einig.

Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen dergestalt abweicht, daß die betreffende Person zur Ausübung der normalen psycho-physischen Funktionen nicht in der Lage ist. [...]


Regelwidrig. Klasse.

Danach ist eine Schwangerschaft auch mit den einhergehenden Beschwerden und Gefährdungen von Mutter und Kind nicht als Krankheit oder Gesundheitsstörung anzusehen.

Und da ist der Teil der Urteilsbegründung, den ich überaus eigenartig, um nicht zu sagen erschreckend finde. Was die Begründung vielleicht sagen wollte, war wohl folgendes: in einer Schwangerschaft ist immer ein gewisses Risiko begründet, daß Schwangere und Leibesfrucht gesundheitliche Folgen davontragen können.

Was man auch draus lesen kann: es gibt ja durchaus Fälle, in denen es angeraten ist, keine weiteren Kinder mehr in die Welt zu setzen. Sollte frau dennoch schwanger werden, ist das halt Pech und wenn sie dran stirbt, dann war das eben auf eigene Gefahr. Das wäre ja durch Enthaltsamkeit oder andere Verhütungsmethoden zu verhindern gewesen. Und da sind wir bei den Katholen: hier greift nur die Möglichkeit der Enthaltsamkeit, Verhütung ist ja nicht. Und überhaupt, man darf bei den Katholen ja sowieso nicht aus Spaß, sondern lediglich zum Zwecke der Fortpflanzung.

Höchst eigenartig, finde ich.

Nun, ziemlich wahrscheinlich kommt man aus der Nummer wie folgt raus: wenn eine medizinische Indikation vorliegt (was ja offensichtlich vorliegend nicht der Fall war), also eine akute Gefährdung der Frau im Falle einer weiteren Schwangerschaft vorliegt, dann handelt es sich um eine vorbeugende Maßnahme und damit um eine Heilbehandlung. Diese ist dann selbstverständlich MWSt-frei.

Im Ergebnis ist das Urteil sicher richtig und die Rechtsfolge zutreffend. Aber die Begründung mutet doch beim ersten Lesen etwas seltsam an.